Warum wir einen „Neustart!“ brauchen

Zum Start der Initiative erörterten Fachexpert:innen, aus welchen Gründen ein Neustart unserer Gesundheitsversorgung nötig ist.

 

Robert Bosch Stiftung | Oktober 2018

Ein Podium zum Auftakt

„Zank, Zaster und Zynismus: Braucht unser Gesundheitssystem einen Neustart?“ – unter diesem Motto startete die Robert Bosch Stiftung ihre neue Initiative „Neustart!“ im Rahmen einer Podiumsdiskussion am 19. Oktober 2018 in Berlin.

„Wir wollen in neuer Form ins Gespräch kommen, um auch in Zukunft eine gute Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Deutschland zu ermöglichen“, sagte Wolfgang Chur, Mitglied des Kuratoriums der Robert Bosch Stiftung, bei der Auftaktveranstaltung der Initiative. In der Berliner Repräsentanz der gemeinnützigen Stiftung gab Chur den Startschuss für das Projekt und läutete den Dialog ein. Dabei legten vier Fachexpert:innen Finger in die Wunden des Systems. Das Fishbowl-Format der Diskussion war bewusst gewählt: Für die Publikumsgäste standen noch freie Stühle im Innenkreis des Podiums bereit. So konnten sie spontan den Kreis der Diskutant:innen ergänzen und ihre Sichtweise zur Situation des Gesundheitssystems einbringen, zum Beispiel aus Sicht der Politik und Krankenkassen.

Zweck des Gesundheitssystems ist gute Patientenversorgung

Als drängendes, andauerndes Problem wurde die mangelnde Patient:innenorientierung im deutschen Gesundheitssystem angesprochen. Es sei eine zu starke Ausrichtung allein auf marktwirtschaftliche Aspekte erkennbar. „Das Problem ist, dass wir in unserem Gesundheitssystem eine Wegrationalisierung der Kontaktzeit erleben, aber ohne ausreichend Zeit können wir keine gute Medizin betreiben“, sagte Prof. Dr. Giovanni Maio, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg. 

„Der einzige Zweck des Gesundheitssystems ist eine gute Patientenversorgung und sonst nichts“, ergänzte Dr. Ilona Köster-Steinebach, Geschäftsführerin des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e. V. Hinzu kommt, dass sich Patient:innen nur schwer im Gesundheitswesen zurechtfinden. Ein wichtiger Grund: Lücken im Bildungssystem, wie Köster-Steinebach aus eigener Erfahrung berichtete: „Ich habe in der Schule viel über Photosynthese gelernt, jedoch wenig darüber, was ich tun kann, um mich gesund zu halten.“ 

Dr. Günther Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin, kritisierte, dass sich die politischen Akteure in Detailarbeit verlieren: „Wir leiden darunter, dass nie das komplette System in den Blick genommen wird – es werden stets nur Teilaspekte betrachtet.“ Eine weitere Schwäche des politischen Systems ist, dass die Akteure laut Moderator Dr. Wolfgang Klitzsch viel zu kurzfristig denken: „Das Gesundheitswesen ist nicht von Legislatur zu Legislatur zu ordnen, sondern langfristig und parteiübergreifend.“